Die Aargauerin Stefanie Vögele leidet immer noch unter dem Tod ihres Vaters. Im Gespräch mit der Aargauer Zeitung erklärt sie, was sich seit dem Schicksalsschlag verändert hat und wie sie die schwierige Saison erlebt hat.
Sentimentalitäten haben im Profisport keinen Platz. Das Geschäft ist knallhart. Wer nicht funktioniert, fliegt gnadenlos raus. Seit gut zweieinhalb Jahren kämpft die Aargauer Tennisspielerin Stefanie Vögele auf dem Platz nicht nur gegen ihre Konkurrentin, sondern auch gegen sich selbst. Ihr geliebter Vater er- krankte an Krebs, vor 14 Monaten ist Bruno Vögele gestorben. Die 25-Jährige war blockiert, konnte ihr Potenzial nicht mehr abrufen.
Vor zwei Jahren stand die Aargauerin auf Platz 42 der Welt. Vor vier Wochen war sie bis auf Rang 165 zurückgefallen. Doch so langsam findet sie wieder aus dem Tief. Sie hat sich gefangen und geht auch wieder als Siegerin vom Platz. Seit den Turnieren nach dem US Open im September geht es ihr besser. Das hat ihr Sicherheit auf dem Platz gegeben. Zwar sind ihre Resultate noch nicht berauschend gewesen, aber sie habe ein gutes Gefühl gehabt. "Das war wieder ein Anfang."
Leben hat sich total verändert
"Ich brauchte Zeit, um diese ganze Situation zu verarbeiten", sagt sie. Ihr Leben hat sich total verändert. Plötzlich wurden ganz andere Fragen in ihrem Leben wichtig. Sieg oder Niederlage auf dem Tennisplatz rückten in den Hintergrund. "Es wäre aber auch komisch gewesen, wenn ich keine Probleme damit gehabt hätte", sagt Vögele. "Und ganz werde ich den Tod meines Vaters wohl nie überwinden."
Obwohl die Situation schwierig gewesen ist, wollte sie zu keinem Zeitpunkt eine längere Pause einlegen oder gar aufhören. "Mir war lieber, an ein Turnier zu fahren und es zu versuchen, als zu Hause rumzusitzen. Denn das wäre noch viel schlimmer gewesen."
Sie sei zu dieser Zeit schon etwas verloren gewesen. "Mein Vater hat mir sehr viel bedeutet", sagt sie. Vor allem auch im Tennis, er habe sie ja am meisten unterstützt. "Es war sehr schwer, diese Wurzeln zu verlieren, aber jetzt habe ich wieder Boden unter den Füssen", erklärt sie. "Ich kann nun damit besser umgehen und mich auf dem Platz besser konzentrieren." Ihre ganze Familie hat sehr unter dem Verlust gelitten. Deshalb hat Vögele auch Hilfe von aussen gesucht. "Ich bin zu einem Psychiater nach Basel gegangen, den hat mir meine Schwester empfohlen, jemanden, der überhaupt nichts mit Sport zu tun hat", erzählt sie. "Er hat mir sehr viel geholfen, obwohl ich noch nicht allzu oft bei ihm gewesen bin", sagt sie. "Wir haben geredet, er hat mir alles erklärt, auch dass es völlig normal und okay ist, dass ich leide."
Sie habe dann nur noch wenig in den Zeitungen gelesen. "Jetzt regen mich negative Artikel aber nicht mehr so auf, das ist nicht so wichtig", betont sie. "Bei Niederlagen störte mich, dass ich nicht frei spielen konnte, kein gutes Tennis gezeigt habe." Es sei aber zu diesem Zeitpunkt wichtiger gewesen, andere Blockaden zu lösen, als übers Tennis zu grübeln.
"Jetzt bin ich froh, dass es mir wieder besser geht, und vor allem, dass ich einen Weg gefunden habe, damit umzugehen", sagt sie. Ihre Einstellung hat sich geändert, auch wenn es noch Zeit braucht. "Es war für mich unvorstellbar, dass meine Eltern sterben könnten ich dachte immer, sie leben ewig", blickt sie zurück. Jetzt sieht sie jeden Tag als Geschenk. Nur: Wenn sie nach ein paar Matches müde ist, fällt sie ins alte Muster zurück. "Manchmal rege ich mich über Sorgen auf, die gar keine sind", gibt sie zu. Sie müsse sich sagen, es sei ein Spiel, ein Sport. Manchmal sei halt die Gegnerin besser. "Wichtig ist, dass ich mit mir zufrieden bin."
Den Spass nie verloren
Spass an ihrem Sport hat sie eigentlich immer gehabt, auch wenn es nicht so ausgesehen hat. Schliesslich war Tennis seit je ihre Leidenschaft. Und als Kämpferin ist sie sowieso bekannt. Zuletzt hat sie sogar an zwei Fronten gekämpft. "Auf dem Platz und daneben, wo ich mein Herz wieder heilen, mich wieder finden musste." Auch innerhalb der Familie hat sich vieles zum Guten verändert. Jetzt kann sie ihr auch wieder Halt geben.
Inzwischen wohnt Vögele wieder in ihrem Elternhaus in Leuggern. Sie werde aber in Zukunft vermehrt Trainingstage mit anderen Spielerinnen einlegen, so wie zuletzt vier Tage in Prag. Mit diesen Kolleginnen, unter anderem der Luxemburgerin Mandy Minella, hat sie ein wenig über ihre Probleme gesprochen, aber nicht im Detail. "Ich wollte sie nicht mit meinen Problemen belasten. Schliesslich muss sich jede Spielerin auf den Sport konzentrieren."
Sportlich hat ihr das Turnier in Linz vor vier Wochen einen wichtigen Schub gegeben, mit vier Siegen in Folge. "Das habe ich mir gewünscht, wieder einmal viele Matches auf gutem Niveau zu spiele", sagt Vögele. Ihr Tennis sei aber durch den Schicksalsschlag sicher nicht schlechter geworden, meint sie. "Natürlich gibt es auch immer Dinge, die ich noch verbessern kann. Aber mein Aufschlag wird sicher nicht mehr Extraklasse."
Noch ist die Saison für Vögele nicht zu Ende. Gestern scheiterte sie in Limoges an Mandy Minella. Taipeh und Japan stehen noch auf dem Programm. Vögele versucht, sich auf der Weltrangliste noch um rund 20 Plätze zu verbessern. Dann bliebe ihr im nächsten Jahr beim Australian Open die Qualifikation erspart. Eine Woche Ferien macht sie auf der Rückreise von Asien mit ihrer Familie in Dubai, und dann gehts an die Vorbereitung für die nächste Saison. "Doch daran denke ich noch gar nicht, ich spiele jetzt einfach, wie es kommt", sagt sie.
Text von Michael Wehrle (Aargauer Zeitung), Bild von Fabio Baranzini