Sonntag, 15. Oktober 2017

Auf der Suche nach dem „perfekten Gefühl“

Michelle Paroubek (45) gehört in ihrer Altersklasse zu den besten 10 Spielerinnen der Welt und hat vor zwei Wochen mit dem EM-Titel ihren bislang grössten Erfolg gefeiert.

Tennis war nicht die erste Wahl von Michelle Paroubek. Obwohl ihre Eltern Tennis spielten, entschied sie sich fürs Kunstturnen. Doch mit 12 Jahren legten ihr die Trainer nahe, sie solle damit aufhören. Sie sei zu gross fürs Kunstturnen, hiess es. Also griff Michelle Paroubek doch zum Racket und begann, auf den Tennisplätzen des TC Obersiggenthal den gelben Tennisbällen nachzujagen.
„Ich war am Anfang nicht sonderlich gut. Mir fehlte schlicht die Kraft, um die Bälle mit den schweren Holzrackets sauber schlagen zu können“, erinnert sich Michelle Paroubek an ihre Anfänge. Erst ein Tipp ihres Vaters brachte Besserung. „Halte das Racket mit beiden Händen“, riet er seiner Tochter. Michelle Paroubek befolgt den Ratschlag bis heute. Noch immer spielt sie – und das sieht man nur ganz selten – Vor- und Rückhand beidhändig.

Die Faszination ist noch immer da
Vielleicht ist es diese etwas unorthodoxe Spielweise, die es für die Gegnerinnen so unangenehm macht, gegen Michelle Paroubek zu spielen. Aber mit Sicherheit ist es nicht nur das. Paroubek verfügt über ein breites Repertoire an Schlägen, die sie taktisch sehr geschickt einsetzt und damit ihre Gegnerinnen nicht selten zur Verzweiflung bringt. Es passt daher ins Bild, dass sie sagt: „Tennis ist für mich ein Spiel und genauso versuche ich auch, meine Matches zu bestreiten. Ich bin ein absoluter Spielertyp. Nicht nur auf den Tennisplatz, sondern auch Zuhause. Mit meiner Familie spiele ich sehr gerne Gesellschaftsspiele.“
Auch nach über 30 Jahren Tennis ist Michelle Paroubek, die für den Tennisclub Brugg spielt, noch immer fasziniert von der Vielfalt der Sportart. „Im Tennis ist unglaublich viel möglich. Mal spielen wir draussen, dann in der Halle, mal spiele ich gut, dann wieder schlecht und auch die Bedingungen und die Gegner sind immer anders“, sagt Paroubek, die ein Mal pro Woche für sich trainiert und zudem mit ihren drei Kindern regelmässig spielt.

Zwei EM-Medaillen auf Mallorca
Zu Juniorenzeiten gehörte Michelle Paroubek nie zu den allerbesten. Besser als N4 – bei den Frauen sind diese die 75 besten Spielerinnen der Schweiz – war sie nie klassiert. Dafür ist ihre Konstanz beeindruckend. Obwohl sie studiert hat, drei Mal Mutter geworden ist und mittlerweile wieder in einem 80-Prozent-Pensum als Biologielehrerin an der Kantonsschule Baden arbeitet, konnte sie ihr Spiellevel halten. In dieser Sommersaison war sie noch immer N4 klassiert. Und das notabene im Alter von 45 Jahren.
Aktuell ist Michelle Paroubek in ihrer Altersklasse die Nummer 1 der Schweiz und hat sich in diesem Sommer ihren 10. Schweizer Meistertitel bei den Seniorinnen gesichert. Aber auch auf internationalem Parkett ist sie erfolgreich unterwegs. Vor zwei Wochen hat sie auf Mallorca an den Europameisterschaften die Goldmedaille im Einzel und die Silbermedaille im Mixed gewonnen. Dank diesem Erfolg – dem grössten in ihrer Karriere – hat sie sich in die Top 10 der Weltrangliste der Seniorinnen 45+ gespielt.

Noch lange nicht genug
Trotz den vielen Siegen ist es nicht ausschliesslich der Erfolg, der Michelle Paroubek antreibt. „Natürlich ist es schöner, wenn man gewinnt. Ich versuche aber in erster Linie, auf dem Platz zu kämpfen und alles zu geben. Die Suche nach dem perfekten Gefühl in meinen Schlägen – das ist es, was mich motiviert“, beschreibt Paroubek, die ihre Fitness und ihre Sicherheit in den Schlägen als grösste Stärke bezeichnet.
Und diese Stärken dürften sie auch in Zukunft zu weiteren Siegen führen. Denn ans Aufhören denkt Michelle Paroubek noch lange nicht. „Ich habe an der EM auf Mallorca die über 85-Jährigen spielen sehen. Ich war beeindruckt, wie fit sie waren und wie gut sie noch immer gespielt haben. Das zu erreichen, ist mein Ziel.“

Text und Bild von Fabio Baranzini

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